Von Natur aus künstlich?

Erweiterung des Naturbegriffs im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz

Wenn die Künstliche Intelligenz (KI) zu gut wird, wird sie zur Bedrohung – sie wird uns vielleicht sogar auslöschen. Auf jeden Fall wird sie uns unsere Jobs nehmen. So oder so ähnlich lauten die Narrative, mit denen im „KI-Zeitalter“ viel Aufmerksamkeitsökonomie betrieben wird. Doch diese Formen von Clickbait entziehen sich schnell ihrer Substanz, wenn man sich vor Augen führt, welche Entwicklungen hier im Hintergrund maßgeblich zum Erfolg der sogenannten „KI-Systeme“, die aktuell eine breitere Masse erreichen, beitragen.

Historisch gewachsene Dynamiken aus militärischen und kapitalistischen Bestrebungen haben den Grundstein für eine geänderte Konzentration von Kontrolle und Macht gelegt. Über Technologie wird zunehmend das menschliche und natürliche Dasein beeinflusst. Die Umwelt des Menschen regelt, bewusst oder unterbewusst, mit technischer Effizenz dessen mentale Prozesse und Verhalten immer mehr. Das Konzept der Environmentalität schlägt durch.

Eigene Bildaufnahme eines 4x4cm großen Stück Papiers, das die Aufschrift „Immer weniger begreifen wie immer mehr Dinge uns immer mehr uns immer mehr in Griff haben www.zettelpoet.at“ enthält. Gefunden wurde dies am Siemens-Nixdorf-Steg im März 2025

Eine Verschiebung der Macht über das menschliche Verhalten, weg von sozialen, gesellschaftlichen Institutionen, hin zu technologischen Plattformen und deren Wirkmechanismen findet statt. Diese Plattformen setzen Künstliche Intelligenz ein. Ziel der Machtübernahme ist einerseits, Profit aus den Informationen zu schlagen, welche die Plattform-Nutzer dort mehr oder weniger freiwillig preisgeben. Andererseits ist es die Fähigkeit zur Steuerung von menschlichem Verhalten über gesellschaftlichen Diskurs und Politik und deren Auswirkung auf Wirtschaft.

Es ist nicht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz selbst und deren Innovationskraft, die eine Bedrohung darstellt. Vielmehr ist es die zentralisierte Kontrolle in den Händen weniger, die dem Fortbestehen menschlichen Lebens bzw. der kollektiven Leidverminderung gefährlich wird. Die Ziele der Personen, an denen diese Hände agieren, sind nicht demokratisch oder durch anderweitige gesellschaftliche, soziale Kontrollmechanismen gesetzt. Dann handeln künftig vielleicht nicht mehr nur diese Personen autonom, sondern auch die Systeme, auf deren ihre Machtübernahme basiert. Die Singularitätsangst bestimmt dieses Narrativ.

Ist all das eine „natürliche“ Entwicklung, der Lauf der Dinge in der Natur? Wie könnte sich unser Naturbegriff angesichts dieser Machtverschiebung und der darin vererbten Autonomie von technischen Systemen erweitern? Wenn ein Naturbegriff diese Formen der Autonomie beinhält, müsste man dann nicht auch KI als „natürlich“ verstehen?

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